IWUDA – kurze Nachbetrachtung

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(Frau Dr. Bunz, Foto: ich)

Das Charmante an der Veranstaltung Ich, Wir und die Anderen war das Aufeinandertreffen von Theorie und Praxis, von Wissenschaftlern und Bloggern.

Anders als vor zwei Jahren, als am gleichen Ort weitgehend ahnungslose Vertreter der Wissenschaft auf wenig Theorie-affine Praktiker stiessen und einen Grundstein der noch immer nicht ganz ausdiskutierten Frage des Verhältnisses von Journalisten und Bloggern legten, ging es dieses Jahr weniger kontrovers zu. Zumindest was die Fragestellung der Konferenz nach den demokratischen und ökonomischen Potenzialen der neuen Medien betraf.

Standortbestimmung

Der Eröffnungsabend war geprägt von mehr oder weniger wissenschaftlichen Betrachtungen jener Potentiale. Ich hatte mich auf Peter Sloterdijk gefreut, der leider verhindert war. So musste Uwe Hochmuth für das Professorale sorgen, schliesslich war man ja in der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe zu Gast und nicht bei einem x-beliebigen Blogger-Treffen. Dies gelang Hochmuth vortrefflich mit seinen Überlegungen zu den zu schaffenden respektive zu schützenden herrschaftsfreien Räumen im Netz.

Mercedes Bunz erklärte die US-Amerikaner kurzerhand nach den besseren Marxisten und fragte, warum man in Deutschland immer noch Angst vor dem Internet habe, anstatt die gewaltigen Potentiale – ökonomisch wie gesellschaftlich – zu nutzen. Leider beschränkte sich die Reaktion Hochmuths – immerhin gelernter Ökonom – auf eine intelektuell-patriarchaische Bemerkung über das Bunzsche Verständnis des Marxismus.

Geert Lovink halte ich für einen der besten Geisteswissenschaftler, die sich mit den sozialen und kulturellen Aspekten des Neztes beschäftigen. Sehr unterhaltsam sprach er über Kulturen des Web 2.0 – und welche Entwicklungen zu erwarten sind – hinsichtlich einer immer grösser werdenen Dominanz asiatischer Teilnehmer an den globalen Gesprächen im Netz.

Der Datenreisende Andy Müller-Maguhn schliesslich kam offensichtlich ganz real von einer Reise. Die Müdigkeit war ihm ins Gesicht geschrieben, als er von den subjektiven Realitäten im Web 2.0 sprach. Unterhaltsam, wie zu erwarten.

Die Konferenz

Am darauf folgenden Tag erwartete die Teilnehmer ein strammes zehnstündiges Programm. Daraus nur ein paar Punkte, die mir heute, zwei Tage später noch präsent genug sind, um etwas dazu zu sagen. Für genauere Mitschriften und Zusammenfassungen bitte die Links am Ende dieses Postinngs beachten.

Forum Ich

Dominierte vor zwei Jahren noch Don Alphonso in freier Rede über Meyer, schien am Freitag Meyer seinen Don bestens im Griff zu haben. Sich nahe am Manuskript haltend referierte Meyer über die literarisierte Kunstfigur Don Alphonso und dürfte bei einigen Zuhörern für Erstaunen gesorgt haben. Leider entzog sich Meyer der mehrfach gestelten Frage, ob er es sich nicht ein wenig zu einfach mache, die Figur Don Alphonso über ganz reale Personen und Sachverhalte schwadronieren zu lassen und wo genau die Trennlinie zwischen dem „ein bisschen dummen“ Don Alphonso (Meyer über sein Alter-Ego) und der Person verlaufe.

Mit Peter Praschls Beitrag konnte ich nicht allzuviel anfangen. Blogblues hat das Vanessa genannt, glaube ich. Hier wird das ganze Dilemma der ersten deutschsprachingen Blogger-Generation deutlich. Nachzulesen in den Kommentaren dieses Beitrags in der Antville-Blog-Ursuppe. So ist das, wenn sich Dinge dann doch nicht so entwickeln, wie man es vielleicht erwartet. Darauf kann man dann mit Resignation reagieren oder mit der Meyerschen Hausmeisterhaltung versuchen, Regeln aufstellen zu wollen und laut mit dem Besen an die Decke zu klopfen, wenn die WG in der Wohnung darüber mal wieder feiert.

Forum Wir

Volker Grassmuk ist eine sichere Bank für gehaltvolle Vorträge und Denkanstösse. Auch am Vortragsstil hat er gearbeitet. Sein Beitrag war längst nicht so trocken wie seine Keynote auf der Re:Publica.

Danach sprach Dr. Michael Mayer von der Readers Edition – daran kann ich mich auf Grund eines Formtiefs nicht mehr erinnern.

Entgegen den Erwartungen mancher seiner Leser behielt Robert Basic während seines Vortrags das Hemd an und vertrat tapfer seine These, dass es ein Wir gar nicht gäbe. Zwei Gedanken zu Robert Basic: Der Mann spricht wie er bloggt und ein Steve Ballmer hätte das Thema nicht anders verkauft. Durchaus unterhaltsam und ein erfrischender Bruch mit den klassischen Konferenzriten.

Forum Die Anderen I – Virtuelle Ökonomien

Uwe Hochmuths Beitrag in diesem Forum war eine Enttäuschung. Inzwischen weiss man ja, dass wenn ein wissenschaftlicher Vortrag mit den Worten „eigentlich kenne ich mich ja gar nicht aus – ich versuch mal eine Betrachtung von aussen“ (Zitat sehr sinngemäß) beginnt, es meistens schief geht. Leider machte auch Hochmuth keine Ausnahme. Er erging sich in theoretischen Überlegungen wie mit dem Netz Geld zu verdienen sei (mit Informationen!), die direkt aus den 80ern zu kommen schienen. Die andere Hälfte der ihm zur Verfügung stehenden Zeit warnte er vor den Gefahren, die von Friebe und Lobos „Wir nennen es Arbeit“ ausgingen. Entweder hat er das Buch nicht verstanden oder Hochmuth kennt die Realität der Menschen, die Friebe und Lobo als digitale Bohèmiens bezeichnen schlicht nicht.

Die eigentliche Überraschung des Tages für mich war Mathias Winks, besser bekannt als MC Winkel. Der Mann, der mal Thomas Gottschalk beerben wollte, bot beste Unterhaltung. Als grandioser Selbstdarsteller nebst blonder Klickassistentin zeigte er, wie Markenbildung und -bindung funktionieren. Im Wesentlichen kommentierte er einen Film, der recht gut die Marke MC Winkel darstellte. Winks beantworte so viele der zentralen Fragen der Konferenz. Auch wenn das einige missverstanden haben.

Peter Turi referierte, dass mit Blogs kein Geld (mit Werbung) zu verdienen sei. Man müsse das Spiel nach den Regeln der Werbetreibenden spielen – das Blogumfeld sei prinzipiell zu instabil und mehrheitlich Kritisch gegenüber Werbung eingestellt und somit für die Werbewirtschaft uninteressant. Blogs verglich er mit den Alternativzeitungen aus den 80er-Jahren, die auch ihr Publikum gefunden hätten aber schliesslich aus wirtschaftlichen Gründen eingegangen sein.

Ein Wort zum Moderator der Konferenz: Don Dahlmann hat sich als wahrer Glücksgriff herausgestellt. Ohne Probleme konnte er aus der Rolle des Bloggers aussteigen, angenehm moderieren, Fragen stellen und die Wogen glätten wo es sein musste.

An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich mir das letzte FORUM DIE ANDEREN II – JOURNALISMUS IM WANDEL von 17.30 – 19.30 Uhr mit Prof. Neuberger, Jochen Wegner von Focus Online und Christoph Schultheis geschenkt habe. Die kurze Nacht bei Martin auf der Couch machte sich bemerkbar.

Fazit:
Eine durchaus interessante Veranstaltung, die zeigte: Die Wissenschaft hat nach wie vor ein dankbares Sujet und die alte Bloggerschule hat den Blues. Sie versteht nicht mehr, was da draussen passiert und zieht sich entweder ganz zurück oder verschantzt sich wortgewandt hinter literarische Figuren.

Tja, es soll ja immer noch Leute geben, die tapfer im Usenet posten.

Andere Meinungen, Ansichten und Zusammenfassungen hier: (wird ständig aktualisiert)

Julie für Nerdcore:
http://www.nerdcore.de/wp/2007/09/16/kein-netz-in-karlsruhe-nachgedanken-zum-zkm/

Jeriko:
http://www.i-jeriko.de/2007/09/15/ungeordnete-und-vollig-subjektive-gedanken-zu-ich-wir-die-anderen/

Jan Schmidt:
http://www.bamberg-gewinnt.de/wordpress/archives/824

Björn Grau:
http://graubrot.blogspot.com/2007/09/ichkonstruktion.html
http://graubrot.blogspot.com/2007/09/werbung-nervt-nervt-werbung.html
http://graubrot.blogspot.com/2007/09/lahme-enten.html

Martin Memmel:
http://cestmauvaisca.de/?p=157

Ralf G., Uninformation.org:
http://www.uninformation.org/weblog/55/
http://www.uninformation.org/weblog/56/

Joachim Walther, Oldblog:
http://www.oldblog.de/?p=550
http://www.oldblog.de/?p=551

Tina Guenther, Sozlog:
http://www.sozlog.de/?p=579

Tine Nowak, Tagwerke:
http://tagwerke.twoday.net/stories/14269/ ff.

Andrea Diener:
http://gig.antville.org/stories/1691061/ ff.

Oliver Gassner:
http://blog.oliver-gassner.de/plugin/tag/zkm

Robert Basic:
http://www.basicthinking.de/blog/2007/09/15/zurueck-vom-zkm/

MC Winkels Beitrag zur Konferenz in Ton und Bild:


Link: sevenload.com

(Original)

Rainer Meyer aka Don Alphonso:

http://blogbar.de/archiv/2007/09/17/die-chinare-des-blogblues/

Urlaub in der Sovietunion!

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Die schnellste und komfortabelste Route zwischen Europa und dem fernen Osten wollte sie sein, die Trans-Sibirische Eisenbahn. Das Design dieser Broschüre erinnert mich ein wenig an den Stil von Hergé in vielen der Tim und Struppi-Bände.

In den 1930er Jahren hat die sovietische Intourist um Reisende, Urlauber und Touristen aus Westeuropa und den USA geworben. Mit beindruckenden Motiven:

„Urlaub in der Sovietunion!“ weiterlesen