Wer wohnt schon in Düsseldorf?

Ich komme aus dem Ruhrgebiet.

Ich kenne diese mitleidigen Blicke von Euch, die ihr noch nie im Ruhrgebiet wart, wenn ihr hört, dass ich von dort stamme. Ich kenne die Klichees und Vorurteile, die sich in Euren Köpfen über uns Ruhries festgesetzt haben.

Aber ich habe eine Überraschung für Euch: Wir sind gar nicht alle so wie der Vollproll von RTL. Dennoch lieben wir unseren Soziolekt. Wir tragen gar nicht alle Feinripp-Unterhemden zu ballonseidenen Hosen wenn wir an der Bude Bier und Kippen kaufen. Der Himmel über der Ruhr ist blau und manchmal kann man nachts sogar den Mond von Wanne Eickel sehen.

Wir sind 5,3 Millionen, sind treuesten Fans der besten Fußballvereine, stehen liebend gerne auf der Autobahn, haben die Wahl zwischen vier Universitäten (Duisburg/Essen, Bochum, Dortmund, Witten/Herdecke) und zahllosen FHs, kaufen das Nötige in den nahen Niederlanden, gehen heute ins Hotel Shanghai und versacken morgen im Bochumer Bermuda-Dreieck.
Weltklasse Theater sehen wir im Schauspielhaus Bochum, Konzerte besuchen wir in den alten Zechen Carl und Zeche Bochum oder der legendären Grugahalle (wo schon die Beatles unsere Mütter in Hysterie gestürzt haben und die klassischen Rocknächte des Rockpalastes stattfanden). Am 30. April feiern wir zu Tausenden verpeilt die Mayday in der Westfalenhalle. Wir lieben unsere alten Industrieanlagen, das Weltkulturerbe Zeche Zollverein und fühlen uns am Duisburger Innenhafen wie in London.
Grosse Kunst sehen wir im Folkwang Museum, dem Aalto Theater oder dem Konzerthaus Dortmund oder machen sie selbst – im Unperfektaus.

Und Ihr fragt Euch wirklich noch, warum Essen und das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas 2010 geworden sind? Eben.

(Erschien im Original bei Spreeblick)

Veröffentlicht von Andreas

Andreas Schepers leitet die Kommunikation des Berliner Labors des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, DFKI. Hier schreibt er privat über Dinge, die ihn interessieren: Astronauten, Pop, etc... und KI.

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10 Kommentare

  1. Pingback: problematik.net
  2. Haach, als Exil-Düsseldorfer in Essen lebend, fehlt mir zwar nicht nur der Ratinger Hof, das Schumacher, Xao Seffcheque, Fehlfarben, Pyrolator, Phoneheads, der Rhein, die Japaner und die Kiefernstr…

    Aaaber dafür hat’s hier ja auch noch das Zwischenfall, Bochum Total, Olga’s Rock, Open-Air-Werden… Sowie die höchste Dichte an ICE-, BilligFlug-, Zeppelin- und NachtExpress-Haltestellen.

    Also Düseldorf ist wohl schon lange keine Messlatte mehr, London-Gröni sollte wohl mal ’ne Version 2.0 rausbringen, und eher „Wer wohnt denn schon in BiBaBerliiin“ trällern.

    cu
    Oz

  3. die forschung findet schliesslich was sie sucht
    das leben hat keine nicht zu lösenden geheimnisse mehr
    indem der genetische code und die hormonproduktion das individuum steuern
    indem die zerebralen hemisphären die menschliche kultur lokalisieren
    indem die dichotomie des neuronalen vokabulars die magie der sprache diktiert
    indem an ihre umwelt angepasste phänotypen kunstwerke schaffen
    indem die soziobiologische determination liebe ergibt
    aufgegebene bedeutungen, unbeachtete wahrheiten,
    verlassene möglichkeitsräume, hoffnung – von wem

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