Wenn ich dieser Tage meine RSS-Feeds lese und mir gelegentlich die Kommentare zu den Artikeln ansehe, fühlt es sich irgendwie anders an, dieses Web Zwonull deutscher Prägung.
Es geht um des Bloggers Lieblingsthema, die Selbstreflexion, da kann ich gerne mal kurz meine momentane Einschaetzung geben:
Da gibt es die einen, die versuchen, Trennlinien zu ziehen und zu definieren, was denn nun die wahren Blogs sein, die die Blogosphäre ausmachen.
Die anderen feiern gerade die gelungene Kommerzialisierung der Blogosphäre. Und es sind nicht wenige, die gerade verzweifelt versuchen, auch diesen Onlinekanal für die Werbung zu erschliessen.
Wieder andere bemächtigen sich der Blogosphäre für ihre SEO-Spielchen. (Ich habe mich im Zusammenhang der Platzierung von Google-Ads mal damit auseinandergesetzt. Unfassbar: da wird gefährliches
Halbwissen verhökert, von Leuten die vor 10, ach was, noch vor fünf Jahren tiefergelegte
Gebrauchtwagen an den Mann bringen wollten)
Die Blogosphäre gibt es nicht
IMHO gibt es die Blogosphäre sowieso nicht. Es gibt Menschen, die schreiben
Dinge ins Internet. Manchmal reagiert ein anderer. Man kann Kommunikation dezentral und doch auffind- und verfolgbar und verstetigt führen.
Das was die Blogosphäre aber im Innersten zusammenhält sind (halb-)automatisch gesetzte Hyperlinks via Track- und Pingback und RSS-Feeds. (Der Grund, warum Blogs geradezu ideale SEO-Tools sind.)
Im Grunde beschreibt die Blogosphäre also ein technisches System und kein soziales.
Mir ist es so was von egal, was einzelne darüber denken, das Volkswagen jetzt Online Marketing mit Weblogs macht. in diesem konkreten Fall hat man dazu noch sauber gearbeitet. Es hätte jedem von Anfang an klar sein können, dass das Ding einen komerziellen Hintergrund hatte – wenn man ins Impressum geschaut hätte.
Sollte ich mich jetzt als Blogger über all den Schwachsinn aufregen, der weltweit jede Sekunde in ein Blog geschrieben wird? Woher sollte ich die Arroganz nehmen, zu behaupten, ich hätte die Deutungshoheit darüber, was man mit
Blogs machen darf und was nicht.
Blogs sind ist eine technische Kommunikationmöglichkeit. Nicht mehr und nicht weniger.
Das ganze Geseier erinnert mich an 1996/1997 als auf jedem Cover einer Bertelsmann/GuJ-Publikation eine AOL-CD klebte und die ganzen Idioten (was sie natürlich nicht waren) das Usenet mit AOL-Foren verwechselten und innerhalb kurzer Zeit eine gewachsene Kultur zerstörten. Ist damit die alternative Internetkultur gestorben? Mitnichten, sie hat sich neue Nischen gesucht, in der sie extrem erfolgreich wachsen und gedeihen konnte.
Die kuschelige deutsche Blogosphaere, wo man das Gefühl hatte, alle zu kennen – die ist tot.
Sollen doch die, die das Heimelige vermissen auf ihren Blog- und Socialnetworkplattformen kuscheln und ihre sich ihre Rankingspiele abhalten.
Und wenn jetzt die grosse Zeitenwende, die Bloggerdämmerung kommt – so what? Ich habe seit 1994 viele Technologien, Hypes und Subkulturen kommen und gehen gesehen. Aus den Trümmern, die der technologische Fortschritt oder die Kommerzialisierung hinterlassen haben, ist stets etwas neues, spannendes entstanden.
Das wird auch in 10 Jahren so sein, wenn das, was wir heute Web 2.0 und die Blogosphäre nennen, längst Geschichte ist und in irgendwelchen Online-Archiven vergammelt.
Sehr schöne Analyse! Es tut halt immer weh, wenn das eigene Lieblingskind und die kuschelige Insider-Community so langsam vom Mainstream überrollt wird.
Abgesehen davon sind viele der Eigenschaften, die sich die „formerly known deutsche Blogosphäre“ gerne zuschreibt, m.E. auch niemals soooo ausgeprägt gewesen.
immer noch zu viele worte für etwas, das nicht ist.
@ntropie: nicht ist oder nicht sei?
ist. oder war. das web ist das web ist das web. ob mit nostalgiekuschlern anno 99 (früher war alles…) oder mit nostalgiekuschlern anno 85 (wir konnten schon internet, da habt ihr…), das is ja alles ein flow vorbei an den jeweils zeitgenössisch hippen darreichungsformen.
… ok, kenne die „ursprüngliche kuschelige deutsche Blogosphäre“ wahrscheinlich gar nicht, da ich erst Anfang 2005 meinen ersten Blog genutzt habe.
Andererseits glaube ich aber auch, daß es die heutige Menge der deutschen Blogs insgesamt einfach unmöglich macht, dabei was Kuscheliges zu entdecken.
Letzlich sinds für mich viele thematische Blog-Grüppchen, welche sich Themen- oder Interessen-orientiert einfacher bilden, als in der Pre-Blog Web-Ära …
Zwar OT, aber was BIN ich froh dass diese Zeit der nervigen AOL CDs vorbei is…
Sowas, da hat noch einer meine Meinung.