Denn Du bist Deutschland!

Was für ein krasse Geschichte: Thomas erzählt mir heute mittag von einem Foto, auf dem ein Hitler-Portrait nebst dem Spruch „Denn Du bist Deutschland“ zu sehen sei. Er hatte es von P. per Mail bekommen, der es wiederum gestern schon per Mail bekam. In der Universitätsbibliothek Saarbrücken findet er auch eine Ausgabe des entsprechenden Buches, aus dem das Foto gescannt wurde.

Etwas später am Nachmittag postet Johnny genau dieses Foto.

Offensichtlich geht dieses Foto gerade per Mail durchs Netz. Allen Anschein nach, wurde es hier zum ersten Mal ins Web gestellt und dort zum ersten mal gebloggt. Das war gestern.

Das Foto entstammt unzweifelhaft aus diesem Buch:

Ludwigshafen – ein Jahrhundert in Bildern
unsere Stadt im 20. Jahrhundert
Veröffentlichungen des Stadtarchivs
Hrsg.: Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein
Ludwigshafen am Rhein
Stadtarchiv, 1999
ISBN 3-924667-29-2

Leider verfügt das Buch nicht über einen detaillierten Bildindex oder -Nachweis, der erklären würde, was man eigentlich auf dem Foto sieht. Die Bildunterschrift verrät lediglich:

Um 1935: NS-Kundgebung auf dem Ludwigsplatz.

Also nicht einmal das Stadtarchiv kann das genaue Datum der Aufnahme nennen.

Aber was sehen wir nun auf dem Bild genau?

Ein riesiges, gezeichnetes Portrait Adolf Hitlers, darunter ein Spruchband mit den Worten „Denn Du bist Deutschland“. Rechts und links daneben sieht man eine Gruppe uniformierter Männer. Im Hintergrund sind Fahnen zu sehen und auf einem Gebäude ist der Schriftzug „Rhenania“.

Was soll aber „Denn Du bist Deutschland“ bedeuten?

Ist es eine Mahnung? Wenn ja, in welchem Kontext?

Ich bin kein Historiker, aber einige Zusammenhänge erscheinen mir offensichtlich. Das Bild ist in Ludwigshafen entstanden. Das war der Standort der IG Farben, die bekanntlich schon früh die Nationalsozialisten finanziell im Wahlkampf unterstützten (mehr dazu im Wikipedia-Artikel).

Ein interessanten Hinweis liefert die Analyse Nationalsozialistische Propaganda in der Werkszeitung des Höchster Werkes der I.G. Farben von Sandra Martina Schwab, dort schreibt sie unter dem Punkt Leistungssteigerung und Einsparungen im Betrieb:

Ausgelöst wohl durch die Versorgungsengpässe bei Roh- und Treibstoffen im Jahr 1936, schrieb die chemische Industrie vom 1. Dezember 1936 bis zum 1. März 1937 einen „100-Tage-Kampf für Sparsamkeit und gegen Vergeudung im Betrieb“ aus , denn „[a]uch die scheinbar geringfügige Vergeudung summiert sich zu Riesenwerten, die unserer Volksgemeinschaft nicht vorenthalten werden dürfen“ . Um dieser Forderung mehr Gewicht bei den Arbeitern zu verleihen, entkräftet in der Kurzgeschichte „Der Grobschmied macht Betriebsappell“ ein einfacher Arbeiter – eben der Grobschmied – alle Argumente, die gegen das Sparen im Betrieb vorgebracht werden könnten. Im Gegenzug erklärt er, warum die Einsparungen so wichtig seien, und endet: „‚Versteht Ihr nun, was der 100-Tage-Kampf von Euch will? Unsere und damit Deutschlands Existenz sichern [sic].'“

Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, in welchem Zusammenhang der 70 Jahre später wiederverwendete Claim damals gemeint war.

Jemand sollte mal Recherchen im Ludwigshafener Stadtarchiv anstellen.

Auf jeden Fall ist das Auftauchen eines solchen Fotos für die Kreativ-Verantwortlichen der DbD-Kampagne peinlich. Richtig schlimm wird es für sie aber erst, wenn sich herausstellen sollte, dass „(Denn) Du bist Deutschland“ ein Rückgriff auf eine Mutmacher-Kampagne im dritten Reich ist.

Aber man sollte nicht den Fehler machen und die Kampagne und Ihre Initiatoren in die Nähe nationalsozialistischer Ideen zu stellen. Was man den Kreativen vorwerfen kann, sollte es denn so sein, dass sie nicht vernünftig recherchiert haben oder einfach nur ganz schlechten Geschmack beweisen.

Aber das zu klären, wäre in der Tat die Aufgabe eines Historikers.

Siehe auch Postings von Mario Sixtus und dem Werbeblogger dazu.

UPDATE 1
Der Dank für die Recherche, die an verschiedenen Stellen geäussert wird, geht ganz eindeutig an Thomas, der gestern den richtigen Gedanken hatte, mal nach der Quelle des Fotos zu suchen! Thomas, wird defenitiv Zeit, Blogs nicht nur zu hosten sonder selbst auch zu schreiben. ;)

UPDATE 2
Das ist wichtig: Lars Cords, Leiter des Kampagnenbüros „Du bist Deutschland“ äussert sich bei Johnny in den Kommentaren. Das ist deshalb gut und richtig, weil das vielleicht ein Schritt der klassischen PR-Agenturen zur Anerkennung der Blogs als Diskursmedium ist.

UPDATE 3
Christoph hat eine andere, aber sehr schlüssige Interpretation dessen, was man auf dem Foto sieht.

UPDATE 24.11.05
Ich habe mal versucht, die Chronologie der Ereignisse um dieses Foto aufzustellen.

Party Rip-Off

Glück auf!

Ich hab‘ nix damit zu tun. Ehrlich!

Das ist eine Veranstaltung der schlagenden , mütze- und farbentragenden, deutschtümelnden Germania. Dass diese blonden Burschen es nicht einmal für nötig halten, sich auf dem Flyer zu erkennen zu geben ist einfach nur ekelig.

Ich glaube, ich muss brechen…

Überleben im Saarland

Saarland

Für Jeden, der aus welchen Gründen auch immer, in’s Saarland muss, stellt sich erst einmal die Frage, „wo ist denn das?

Man greift zur Deutschlandkarte, stellt fest, dass das praktisch in Frankreich sein muss, und zwar an dem Ende Frankreichs, wo wirklich überhaupt nichts los ist.

Wen es nicht gerade ins Saarland verschlägt, der hat noch nie einen Gedanken dran verschwendet, wo das liegt und wie es da aussieht. Diese Erkenntnis würde den Saarländer aber möglicherweise in eine tiefe Identitätskrise stürzen, und das wollen wir dieser liebenswerten Spezies doch nicht antun.

Und jetzt stehst Du hier im Saarland und fragst Dich: Warum?

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