Jörg Kantel ist ein Blogger alter Schule. Sein Blog, der Schockwellenreiter, hebt sich ja von anderen Qualitätsblogs davon ab, dass der Schockwellenreiter auf eine erfrischend altmodische Art bloggt. Im Grunde ist sein Blog eine annotierte Linkliste. Mir persönlich gefällt die Filter-Funktion eines solchen Blogs.
Dass Jörg Kantel aber auch ganze Texte schreiben kann, habe ich zwar geahnt aber nicht gewusst. Den hier sollte man lesen: Liebesbrief an Neukölln in der Zeit online.
Ja, und wenn man den Artikel dann liest, und selbst in Neukölln wohnt, dann erfährt man, dass der Herr Kantel vor allem sich selbst liebt.
Lauter negatives Zeug schreibt er.
Klar ist das keine Traumwohngegend.
Aber wenn man einen „Liebesbrief“ schreibt, muss der entweder voller Enthusiasmus oder voller Ironie sein. Er fabriziert ein Zwischending, das mich als Neuköllnerin einfach nur nervt. Als für Neuköllner Verhältnisse Gutverdienender leistet er sich die Extravaganz hier zu wohnen, er hängt vielleicht ein bischen in romantischen Erinnerungen, erzählt aber von den kriminellen Ereignissen in der Hasenheide, die Ihn im Grunde gar nicht betreffen.
Hier kriegt man halt das Leben in all seinen Facetten mit, und nicht nur den guten. Aber es lebt. Und man kann auch mit ganz wenig Geld gut leben.
Der Herr Kantel scheint mir vor allem das „gefährliche / exotische“ zu lieben, in dem Sinne, dass jemand, der in einem Max-Planck-Institut arbeitet, doch eher in in einem gutbürgerlichen Wohnviertel vermutet würde. Hui, da kann er prima auf die Seltsamkeiten seines Kiezes Bezug nehmen. Und viele seiner Leser aus ganz Deutschland sind wahnsinnig beeindruckt…